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Jahr B (2023-2024)  
21. Mai 2024

Für eine pfingstliche Kirche

Kommentar zum Pfingstsonntag von Henri Hamus (19.5.2024)

Mit einer kleinen Gruppe von Jugendlichen stand ich vor dem Pfingstrelief in der Heilig-Geist-Kirche von Cents. Auf meine Frage, was ihnen denn besonders auffalle, antwortete ein Mädchen: „Die sind ja alle staubig!“

Mit den Jahren hatte sich eine Staubschicht auf die Figuren gelegt. Und auf die Kirche? Die Zeit hat ihre Spuren hinterlassen. Schichten von Traditionen, Gewohnheiten, Liebgewonnenem, Angepasstem und Wiederholtem, von angestauten Reformen haben sich abgelagert. Es scheint, als ob sich die Christen wieder hinter die verschlossenen Türen zurückgezogen hätten, aus Furcht vor den Menschen, aus Furcht vor den Entwicklungen in Welt und Gesellschaft. Lieber staubig als mitten drin im Geschehen des Lebens!?

Pfingstszene von Peppi Rifesser in der Heilig-Geist-Kirche in Luxemburg-Cents
Photo Marc Jeck

Wie wünschen wir uns ein neues Pfingsten! Ein Sturmesbrausen, das den Staub dahinfegt, alle durchschüttelt und die eingeschlafenen Glaubensgeister weckt! Die Figuren der Pfingstszene von Peppi Rifesser schauen nach oben, teils noch etwas verängstigt, teils schon begeistert. Sie wissen um ihre eigene Unzulänglichkeit, Ängstlichkeit und Müdigkeit. Aber sie lassen sich herausreißen aus ihrem Gebücktsein.

Wer immer nur auf das starrt, was nicht geht, nicht mehr geht, auf die schwindenden Zahlen bei Gottesdienstbesuchern, auf den Relevanzverlust von Religion und Glauben, auf die Missstände und Missbräuche, auf den Mangel an Gemeinschaft und vieles andere mehr, wird verkrümmt und büßt den aufrechten Gang ein für ein Sich-dahin-Schleppen ohne Kraft und Begeisterung.

Und dabei ist jeden Tag Pfingsten! Jesus haucht die Jünger an: „Empfangt den Heiligen Geist!“ Gottes Geist durchweht die Welt, Gottes Geist erfüllt das All, Gottes Geist erweckt heute Menschen, lässt Hoffnung aufblühen und Gottes Reich lebendig werden, gewaltig und unbändig!

So wie es die Schwerkraft in der Natur gibt, so gibt es auch das Lähmende in der Kirche. Gottes Geist, ja – aber bitte nicht zuviel! Alles muss doch kontrollierbar sein und bleiben! Wie weit sind wir entfernt von der Unaufgeregtheit des Mose: „Wenn nur der HERR seinen Geist auf sie alle legte!“ (Lev 11,29) Stattdessen die Angst vor dem Neuen, vor dem Unbekannten, vor dem Aufflackern des Heiligen Geistes, dessen Feuer für so manches gefährlich werden könnte, vor Alleingängen Einzelner und einzelner Gemeinschaften auf der Suche nach den neuen Zungen einer anderen, verständlicheren Sprache und nach Formen des gemeinsamen Lebens in der Nachfolge Jesu.

Bischof Albert Rouet, emeritierter Bischof von Poitiers, erzählte mir vor Jahren, dass er als Junge einmal eine Schafherde seines Vaters hütete. Er war den ganzen Tag bedacht, dass die Schafe beisammen blieben, und der Hirtenhund half ihm dabei. Abends bekam er eine Schelte vom Vater, denn die Tiere standen schön beieinander, hatten aber nichts gefressen. „Und das war mir eine Lektion fürs Leben,“ lächelte Mgr Rouet, „auch für meinen Dienst als Bischof!“

Eine pfingstliche Kirche wünsche ich mir. Eine Kirche, die sich auf den Beistand des Geistes verlässt, die alles tragen kann mit der Kraft des Geistes, die sich alles verkünden lässt von Jesus und dem Vater und davon Zeugnis gibt. Eine Kirche mit Mut und Begeisterung für das immer Neue des Evangeliums.

Warum zaudern, warum zögern, warum ausbremsen? Warum auf das schielen, was eigentlich schon vergangen, verloren ist? Warum hüten was bestenfalls Erinnerung ist an vergangene Zeiten. Professor Michael Zulehner hat einmal gesagt, man müsse die alte Sara pflegen, bis ihr Sohn Isaak entwöhnt ist. Altes darf behütet und gepflegt werden, aber nicht auf Kosten des Jungen, das wächst. Und Altes darf ruhig in Würde sterben. Jungem, Heranwachsendem muss jede Stützung, jede Fürsorge und jede Ermutigung zukommen. Was an Möglichkeiten und Potential, an Personal und materiellen Mitteln da ist, muss wohl eingeteilt und verteilt werden, mit einem Vorzug für das Neue, für das Hoffnungsbeladene!
Eine pfingstliche Kirche wagt den Schritt nach draußen, sie tritt auf, auch auf die Gefahr hin, dass man sie (noch) nicht versteht. Eine pfingstliche Kirche traut sich, in neuer Sprache zu reden, traut sich auf den Geist Gottes zu vertrauen, der unberechenbar ist und (auch zu ungelegener Zeit) Fenster und Türen aufreißt, ordentlich entstaubt und ungemütlichen Durchzug verursacht.

Eine pfingstliche Kirche – das sind jede und jeder von uns, das sind unsere Gemeinschaften, in den Dörfern und Stadtvierteln, das sind die vielen, die sich vom Geist leiten lassen, die es wagen, Jesus in ihr Leben herein zu lassen, die sich zusammenfinden in Wohnstuben und Vereinshäusern, die die Heilige Schrift miteinander lesen und versuchen das zu leben, „was sie vom Evangelium verstanden haben, und sei es noch so wenig“ (Roger Schütz).

Eine pfingstliche Kirche, das ist ein buntes Netzwerk, das all diese vielen geistgewirkten Initiativen miteinander verbindet, das die Kommunikation und den Austausch untereinander fördert, das Synodalität, gemeinsam auf dem Weg sein, konkret werden lässt und alle befähigt, dass den Menschen heute in ihren Sprachen Gottes Taten verkündet werden.

Henri HAMUS
henri.hamus@cathol.lu
 
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